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Von der Wohltat kleinerer Gruppen

Simone Steiner im Interviw mit den Nordbayerischen Nachrichten

Wisst ihr, was ich brauche? Kleinkinder bis drei Jahren können das noch nicht selbst artikulieren. Deshalb will der "Arbeitskreis für Betreuungsqualität für Kinder unter drei Jahren" (AK U 3) im Bündnis für Familie Erlangen-Höchstadt diese Stimmen hörbar machen in der Diskussion um Betreuung und Familienfreundlichkeit in Gesellschaft und Arbeitswelt. Der AK U 3 hat sich bereits 2011 gebildet, um die Frage der Betreuungsqualität in den Fokus zu rücken. Aktuell hat der AK stichprobenartig bei Kitas im Landkreis nach ihren Erfahrungen während der Corona-Krise gefragt. Die Antworten hat Simone Steiner, Leiterin der Erziehungs- Jugend- und Familienberatungsstelle des Caritasverbandes im Landkreis.

Frau Steiner, für wen ist dieser Arbeitskreis gedacht?
Die Aktivitäten des Arbeitskreises richten sich sowohl an Fachkräfte, Verantwortliche in Politik und Gesellschaft, an Träger von Krippeneinrichtungen und natürlich auch an Eltern. Die Mitglieder des Arbeitskreises sind Fachkräfte aus verschiedenen Institutionen der Jugendhilfe und Familienbildung.

Warum ist das Thema Betreuungsqualität in Pandemie-Zeiten so wichtig?
Offiziell hatten die Kitas in den letzten Wochen nur für den Notbetrieb geöffnet. Angesichts der hohen Auslastung in unserem Landkreis konnte jedoch teilweise nicht mehr von einer Notbetreuung gesprochen werden. Dabei zeigt sich, dass in den Kitas der Spagat zwischen Pädagogik und Pandemie - zwischen Kindeswohl und Hygieneregeln - tagtäglich mit viel Einfühlungsvermögen und pädagogischer Kompetenz neu ausgelotet wird. Deshalb verdient es höchste Anerkennung für die Träger und dort tätigen Fachkräfte, denn sie ermöglichen die altersbedingt dringend nötigen sozialen Kontakte der Kinder zu Gleichaltrigen. Sie stellen weiterhin Erfahrungsräume zur Verfügung, in denen die Kinder trotz der Verunsicherungen durch die Pandemie entsprechende Entwicklungsbedingungen vorfinden. Sie leisten einen grundlegenden Beitrag dazu, dass Kinder diese Krise gesund überstehen können.

Wie haben die Einrichtungen das geschafft und schaffen es noch?
Mit viel Flexibilität und Kreativität gestalten die Erzieherinnen und Erzieher gewohnte Räume und Abläufe um wenigstens Sichtkontakt zu den Freunden aus anderen Gruppen zu ermöglichen - wichtig für kleine Kinder, bei denen aus den Augen auch aus dem Sinn bedeutet. So entsteht Sicherheit, dass Freunde nach wie vor noch da sind. Manche Kitas betonen, wie hilfreich die Unterstützung von Leitungen und Trägern erlebt wurde, die klare Vorgaben machten und Konzepte vorlegten. Feste Gruppen zu bilden, ist eine Schutzmaßnahme, den Kindern jedoch zu erkläre, warum etwa der liebste Spielpartner einer anderen Gruppe zugeordnet wird oder warum der Turnraum geschlossen bleibt, ist nicht einfach. Die Frustration der Kinder auszuhalten und zu regulieren erfordert neben pädagogischen Know-how sehr viel Geduld und Gelassenheit. Zu den eigenen Ängsten der Erzieherinnen und Erzieher vor der Pandemie kommen Eltern, deren Belastung und Not spürbar ist und die sehr unterschiedlich mit den Hygieneregelungen der Kita umgehen. Der, besonders bei kleinen Kindern, so wichtige Kontakt zu Eltern konnte trotz kurzer distanzierter Übergaben der Kinder erhalten und gepflegt werden - per Telefon, E-Mail oder auch mit neuen innovativen Formen wie einer Kita-App.

Hat die Krise auch Positives bewirkt?
Ja, es wird berichtet, dass die Krise auch als Chance gesehen wird. Das zeigt folgende Aussage: "Als Team haben wir uns in einigen Bereichen weiterentwickelt. Einige Ressourcen könnten sehr gut eingesetzt werden und haben das Teamgefüge gestärkt." Übereinstimmend berichten die Erzeieherinnen und Erzieher außerdem von der Wohltat kleinerer Gruppen für die Qualität der Arbeit und für die Zufriedenheit der Kinder und der Fachkräfte. Dies unterstreicht erneut die Bedeutung dieser seit langem diskutierten Forderung kleinerer Gruppenstärken. Die Corona-Krise macht deutlich, dass Fürsorgearbeit- sei es für Kinder, Alte oder Kranke - unerlässlich und wertvoll für das Wohlergehen einer Gesellschaft ist. Die Notwendigkeit, diese Tätigkeiten anzuerkennen und dafür gute Bedingungen zu schaffen, sollte eine Erkenntnis aus der Corona-Krise sein.


 Interview: Nordbayerische Nachrichten